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Generationen-Konflikte im Job, was ist dran?

Immer öfter höre ich von Un- und Missverständnissen zwischen den Jüngeren und den Älteren am Arbeitsplatz. Mal wuchs der Umgang mit Geburtstagen und Jubiläen (ein Sympton nur, na klar) zu einem echten Konflikt aus, ein anderes Mal waren technologische Neuerungen der Auslöser. Und von Unmut wegen unterschiedlicher Ansichten über persönliche Freiheiten sowie Führung wurde am häufigsten berichtet. Diversity bedeutet auch: Generationengemischte Teams bewusst zu fördern und zu führen.

 

Eine konkrete Geschichte dazu: Vor einiger Zeit sprach ich einen Nachbarn. Berufs- und lebenserfahren, sympathischer Typ, relativ klar und gut aufgestellt im Job. Schnell erzählte er mir von seiner aktuellen Situation. Er wolle sich im Job besser durchsetzen können. Im Kontakt mit seinen internationalen, jüngeren KollegInnen vor allem. Die, so schätzt er die Situation ein, ihm seit einiger Zeit das Wasser abgraben wollen. Das vermute auch sein deutscher Kollege. Zudem sei seine Führungskraft furchtbar inkompetent und tue nichts dagegen, motzte er, und das raube ihm den Schlaf. „Ich muss jetzt irgendwie taktieren, um heil da raus zu kommen“, seufzt er fast angriffslustig und grinst: „Du hast doch bestimmt einen Coach-Tipp?!“

 

Nee, den habe ich natürlich nicht! Ich bin aber wie meistens neugierig und frage nach.

 

H. sorgt im weitesten Sinne mit dafür, dass technische Komponenten rechtzeitig an Land kommen, Supply Chain Management heißt das, glaube ich. Ein paar seiner KollegInnen trifft er zum Flurfunk vor Ort. Viele nur virtuell. Seine Führungskraft ist oft unterwegs und findet das Nomaden-Dasein aufregend, zeitgemäß und wohl irgendwie hipp. Ist ja auch 14 Jahre jünger, murmelte H.

 

VERMUTUNGEN PRODUZIEREN KONFLIKTE

 

Jedenfalls braut sich da angeblich etwas zusammen. H. ist für die Zulieferer bestimmter Länder verantwortlich und kommt in den Genuss, diese öfter zu besuchen. Das Reisen mag er an seinem Job nämlich sehr. Mit einigen Geschäftspartnern gehe er richtig gerne abends essen. Man habe sich ein wenig angefreundet im Laufe der Jahre. Das Reisen ist aber leider weniger geworden; eine Folge der Digitalisierung, meint er. Sein neuer Chef verhalte sich seit Monaten eigenartig, so H. Er solle seine Dienstreisen reduzieren und die Angelegenheiten mehr virtuell erledigen. Zudem hätten zwei seiner KollegInnen im Ausland ihn schon einige Male nicht ausreichend oder falsch informiert.

 

H. erzählt weiter, dass er abends oft mit seiner Frau darüber spreche. Und mit seinem deutschen Kollegen. Mit dem arbeitet er schon viele Jahre zusammen, ähnliches Alter. Er müsse sich seinen jüngeren KollegInnen gegenüber stärker positionieren und seiner jüngeren Führungskraft deutlich machen, was er täglich stemmt und schließlich an Erfahrung haber. Sonst ist er womöglich irgendwann weg vom Fenster.

 

ÜBER DIE ANDEREN STATT MIT IHNEN ZU REDEN IST…

 

Du fragst dich wahrscheinlich, wie er die Sache geklärt hat? Gar nicht. Er sitzt es aus, berichtet er weiter. Und alles, was er erzählt zeigt: H. ist damit beschäftigt, Indizien und weitere Anzeichen zu sammeln, die seine Wirklichkeit untermauern. Er beginnt sich um seinen Job zu sorgen. Er analysiert, mutmaßt, interpretiert und tauscht sich ellenlang mit seinem Kollegen-Freund darüber aus. Dabei kommen die gemeinsame Führungskraft und die beiden KollegInnen im Ausland natürlich nicht besonders gut weg. Die Produktivität im Team auch nicht, vermute ich.

 

„Was hält dich davon ab, mit den dreien zu sprechen? Deine Sorge und Vermutungen zu thematisieren?“, frage ich ihn. Ok, denke ich mir. Er wird seine Gründe haben. Er will erst nicht recht raus mit der Sprache. Dann erzählt er doch, dass es komisch sei, solche Themen am Arbeitsplatz zu haben. Und überhaupt, „was denken wohl Dreißigjährige, wenn ich ihnen von meinen Befürchtungen erzähle? Das ist lächerlich! Das krieg ich auch so hin!“

 

HABEN DIE ÄLTEREN SCHISS VOR DEN JUNGEN?

 

Ich will das Thema meines Nachbarn nicht weiter ausbreiten. Er wird das schon klären. Es geht mir um ein Phänomen, das ich öfter beobachte: Es scheint, als ob die „Alten Schiss vor den Jungen“ hätten! Oder besser gesagt – sie fürchten, von ihrer Kompetenz überrollt zu werden, ihrem digitalen Know-How und Selbstbewusstsein. Ihrer anderen Art der Kommunikation. Ihrem Tempo. Den neuen Selbstverständlichkeiten im täglichen, kollegialen Umgang. Im Kohorten-Sprech meine ich mit den Alten die Generation X und mit den Jungen die Generationen Y (und Z).

 

Manch einer der berufs- und lebenserfahreneren X-ler reagiert mit brachialem, ‚hierarichischem‘ Getue. Wie man das früher eben gemacht hat. Augenhöhe? Weit gefehlt!

 

"Andere versuchen still damit klar zu kommen, suchen den Austausch mit Gleichgesinnten, um sich nicht so falsch zu fühlen."

 

Das baut natürlich weder eine Brücke noch sorgt es dafür, dass generationengemischte Teams ihr Potenzial ausschöpfen können!

 

REDET MITEINANDER statt übereinander

 

Da hilft nur dies: Wohlwollend, neugierig und positiv die Stärken des Anderen sehen zu wollen! Von Macht absehen, eine Win-Win-Win-Situation im Blick haben. Und anerkennen, dass der digitale Wandel uns rasend schnell so viel Neues beschert hat, das es zu lernen gilt. Und dass die Erfahrungen von Jahrzehnten ihn erst ermöglichen.

 

Es geht nicht ums Gewinnen und Verlieren. Sondern darum, gemeinsam Aufgaben zu bewältigen, Ideen zu entwickeln, voneinander und miteinander zu lernen. Es bleibt uns ohnehin keine Wahl als genau das zu tun.

 

DIE JÜNGEREN SIND „UNKOMPLIZIERTER“

 

In meiner Beobachtung sind die Jüngeren oft deutlich offener und unbedarfter im Umgang miteinander. Sorry, ihr X-ler, aber meistens seid ihr das, die etwas mehr Geburtshilfe in einer gegenseitig wertschätzenden Zusammenarbeit brauchen. Die an hierarchischem Denken festhalten und neue Umstände eher mal blockieren. Die misstrauischer sind. Wir wissen natürlich, dass das z. B. mit einer gelernten Fehlerkultur, alten Führungsleitbildern und dergleichen zu tun hat. Ok! Weiter lernen, umdenken, weniger Angst vor Macht- und Gesichtsverlust wäre da hilfreich!

 

Allerdings – auch das beobachte ich – Jüngere haben manchmal eine unbedarfte, fordernde Haltung. Oder „begrinsen“ ein ganz kleines bisschen das andere Selbstverständnis, gerade im Umgang mit Technik, Kommunikations-Ritualen etc. Das mag mancher als herablassend und geringschätzend empfinden, habe ich schon gehört. Seid doch einfach auch dafür sensibel.

 

Unterm Strich ist es doch so: Auch generationengemischte Teams sind ein Zeichen von Vielfalt! Die Teammitglieder bereichern einander. Wenn ihre unterschiedlichen Ressourcen und Bedürfnisse respektiert und erkannt werden, sie sinnvoll gefordert und eingesetzt werden. Was es dazu braucht ist:

  • Akzeptanz für die Anderen, das Finden ihrer Stärken und die Neugierde aufeinander.
  • zu begreifen: Unterschiedlichkeiten führen natürlich zu Irritationen und Fragen!
  • zu wissen: Immer betrachten Menschen das Andere durch „ihre eigenen Brille“.

Die Kunst ist es, zu fragen und zu klären. Und das eigene Bedürfnis bzw. die Erwartungen klar zu formulieren.

 

Im Falle von H. – er wird hoffentlich demnächst über seinen Schatten springen und versuchen ein klärendes Gespräch zu führen. Es wird sich zeigen, ob dahinter ein Sach- oder Beziehungskonflikt steckt und welche weiteren Schritte dann zu gehen sind. Ob sie das gut unter sich ausmachen können werden. Ich wünsche es ihm.

 

Nun interssiert mich: Was sind deine Erfahrungen in generationengemischten Teams? Klappt das gut oder knirscht es? Welche Auslöser für Konflikte hast du erlebt und wie klärt ihr sie? Und ist das schon Teil der Diversity-Stratgie bei euch?

 

Titelfoto: james-pond-191266-unsplash