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Wenn's heikel ist, setz nen Elch auf den Tisch

Digitalisierung. Wir sollten doch meinen, dass mittlerweile Viele verstanden haben: die Technologie ist Mittel zum Zweck. Es geht um die Menschen, die den digitalen Wandel anstoßen, meistern, managen und mittragen müssen. Auch um die, deren Arbeit wegfällt oder sich verändert. Lesen und hören tun wir’s ja annähernd täglich.

 

Und dann sind da die Menschen mit Managementaufgaben, die das bestenfalls wissen, sich aber genötigt sehen, Digitalisierung und ihre Handlungsfelder sowie Folgen eng auszulegen. Die nicht verstehen wollen oder können, dass der technologische Aspekt nur die Spitze des Eisbergs ihrer Aufgaben ist. Sie ergreifen nicht in der Tiefe und Breite die vielschichtigen Chancen und Risiken. Doch Kraft ihres Amtes und aus Notwendigkeit – denn welches moderne Unternehmen kann es sich schon leisten den Wandel zu ignorieren – ordnen sie Maßnahmen zur Digitalisierung an. Das kann schief gehen. Hier ein Beispiel und eine Methode, wie in so einer Phase heikle Themen leichter auf den Tisch kommen können:

 

Letzte Woche erzählte mir ein Sandwich-Manager (ich nenne ihn hier Marcus) eines Hamburger Konzerns, dass sein Team im Zuge der Digitalisierung von Prozessen um gut 80% verkleinert werden soll. Konkret von 12 auf zwei Mitarbeitende. Ob sich für die zehn neue Aufgabenfelder finden bzw. welche es werden könnten, sei ungewiss

 

Der Fokus in den Projektmeetings läge auf der technischen Prozessebene.

Und dem angestrebten wirtschaftlichen Impact. Wie sich das auf die Motivation und Befindlichkeiten der Teammitglieder und Marcus sowie das Ergbenis  auswirkt, das können wir uns gut vorstellen.

 

Natürlich versteht er ganz nüchtern betrachtet den Anlass aus unternehmerischer Sicht. Und in etwa auch die Sinnhaftigkeit. Das „Wie“ bereitet ihm Bauchschmerzen. Und inzwischen auch schlaflose Nächte. Seine Führungskraft sei leider fast taub auf dem Ohr. Bedenken habe er durchaus geäußert und Fragen gestellt, meinte Marcus. „Das ist eines seiner letzten großen Projekte vor dem Ruhestand. Und ein großer Krieger war er noch nie“, meinte Marcus. Und er gab zu, dass er gerade kaum eine Möglichkeit sehe, die Situation zu beeinflussen.

 

Ich erzählte ihm vom „Elch auf den Tisch“, einer Methode für Mut zu heiklen Dialogen, die ich vor langem schon in dem Buch „Mangement Y“ fand. Sicher, es ist bedeutend, dass sie vom CEO des Unternehmens ausging, der meinte: „Wie oft kommt es vor, dass wir im Meeting sitzen und auf dem Tisch sitzt sein dicker, dampfender, stinkender Elch, über den niemand spricht. Alle sehen ihn, alle kennen ihn und alle machen komische Klimmzüge, um ihn herumzureden.“ Weiter heißt es: „Ich möchte, dass wir in Zukunft über jeden dieser Elche sprechen, wenn er auf dem Tisch sitzt – egal, was auf der Agenda steht. Immer.“ Doch die Idee lässt sich durchaus von einem Sandwich-Manager nutzen, damit die heiklen Themen innerhalb seines Teams auf den Tisch kommen und bearbeitet werden (ansonsten würden sie ja im Verborgenen ohnehin ihren Weg gehen). Und Marcus könnte dieses Vorgehen innerhalb des Kreise der Führungskräfte vorschlagen. Heikel, zugegeben. Jedoch - heikel ist die Situation ohnehin. Und zwar mächtig.

 

Die Methode „Elch auf den Tisch“ ginge in ihrer abgewandelten Form so: Es braucht einen Plüsch-Elch als Beisitzer von Meetings. Und immer, wenn während eines Meeting wieder mal ein Elch auf dem Tisch stinkt, also spürbar und ausausgesprochen ein heikles Thema im Hintergrund arbeitet, dann wird dieser Plüschelch tatsächlich von jemandem darauf platziert. Er steht also für die offizielle Erlaubnis, das heikle Thema anzusprechen.

 

In dem Buch wird diese Methode als Erfolg gewertet; sie „war tatsächlich – gemessen an ihrer Wirkung – eine der kostengünstigen Kulturwandel-Maßnahmen der langen Unternehmensgeschichte gewesen“. Der Vollständigkeit halber: Der CEO des Unternehmens hat die Methode per Video vorgestellt, dazu ermutigt und per Hauspost allen Mitarbeitenden einen kleinen Plüsch-Elch als Schlüsselanhänger geschickt. Und wer jetzt denkt „das kann ja nicht funktionieren, wenn das nicht von oben angestoßen wird“, den möchte ich leichtsinnigerweise ermutigen, es dennoch zu probieren. Denn was ist denn die Alternative?

 

Marcus jedenfalls, der seit gut 12 Jahren in dem Konzern tätig ist, meinte, dass er sich das noch bis zum Jahresende angucken wolle. Wenn der Digitalisierungsprozess seiner Abteilung nicht umfassender verlaufe, dann werde er sich wohl einen neuen Arbeitgeber suchen. Er nimmt dann all sein Wissen, seine Erfahrungen und Kompetenzen mit. Er ist Ingenieur und gehört zur Gattung der Fachkräfte, die ja Mangel“ware“ sind.

 

Marcus würde gründsätzlich gerne bei seinem Arbeitgeber bleiben. Vieles schätzt er: Aufgaben, Perspektiven, Menschen. Er meinte, dass er einen Plüschelch kaufen wird. „Es ist eine Möglichkeit und die will ich nicht unversucht lassen“, sagte er noch. Und er möchte dringend wieder besser schlafen können. Ich wünsche ihm allen Erfolg dafür. Vom Ergebnis werde ich berichten.

 

Vielleicht kennst du ähnliche Situationen und denkst, dass auch du so einen Plüschelch brauchst. Auch dir dann: gutes Gelingen! Hier gibt's übrigens welche:-).

 

Photo by Shivam Kumar on Unsplash