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12.000 Seemeilen Potentialentfaltung – Abenteuer Schule

Stell dir vor du bist 16. Und vor dir liegen sechs Monate auf einem segelnden Klassenzimmer. Das Ocean College. Gemeinsam mit gut 30 Jugendlichen segelst du auf einem englischen Traditions-Dreimaster von Europa in die Karibik und zurück. Bordsprache Englisch, in Costa Rica kommt zwei Wochen lang Spanisch dazu. Quadratische Gleichungen lernst du im Schatten der Fock. Und jeden Tag Handfestes über das Meer, das Wetter und die Winde. Nicht am Active Board, sondern indem du es täglich erlebst. Und wenn du nach sechs Monaten zurückkehrst, irgendwie verändert, dann nimmst du den Staffelstab in der Schule an Land wieder auf.

 

Du lernst auf See etwas fürs Leben. Mit das Wichtigste überhaupt, wie ich finde:

Verantwortung nämlich. Für dich selbst und für Andere zu tragen.

Und du erfährst dich selbst. Diese Lernerfolge sind für immer.

 

Klingt großartig, oder?

 

Silja hat sechs Jahre mit ihren Eltern auf einem Segelschiff gelebt.
Silja hat sechs Jahre mit ihren Eltern auf einem Segelschiff gelebt.

Unterricht in Astronomie, Kubakrise und Social Media

Als Silja (bald 17), die Freundin meiner Zweitgeborenen, fast 15, neulich von ihrem bevorstehenden Schulhalbjahr auf dem Meer erzählte, ging mir echt das Herz auf! Sie berichtete: „Es wird an Bord ganz normal von Lehrern unterrichtet, mit dem kleinen Unterschied, dass die Unterrichtsthemen auf unsere Fahrt bezogen sind. Zum Beispiel ist ein großes Thema in Mathe und Physik die Astronomie und das Segeln. In Biologie wäre es der Ozean und in Geschichte würde es sich um die Kubakrise handeln. Neben der Schule bekommen wir auch noch eine Nautische Ausbildung und wir lernen einen Großsegler zu segeln. Außerdem müssen wir auch noch einen Pathway beschreiten, der die Themen Media und Journalismus, Wirtschaft oder Meeresbiologie behandelt.“

 

Ihr reicht die heimische Schule nicht, sagt Silja. Zu viel theoretische Zeugs und Frontalunterricht. Zu wenig, was für sie für bedeutsam hält. Und sicher hat sie einen anderen Blick, da sie ihre ersten Lebensschritte und -jahre quasi auf dem Meer machte. Sie surfte rum und fand Johan Kegler und sein Ocean College:

 

Johan Kegler, ein Berliner Lehrer, gründete 2013 das Ocean College, weil er findet, dass unser Schulsystem nicht gut genug auf das Leben vorbereitet. Sein pädagogisches Konzept geht weit über die üblichen Curricula hinaus, erfüllt dabei alle Anforderungen eines Schulhalbjahres. Und wahrscheinlich lebt er auch seinen Traum, denke ich so bei mir. So darf ein Leben doch sein, denke ich.

 

Kulturelle Brücken bauen

Ich fragte die Lübeckerin auch nach ihrem „Warum“. Denn das ist eine große, ungewöhnliche und kostspielige Sache. Sie überlegte gründlich und erstaunte mich dann mit ihrer Antwort: „Ich habe ja sechs Jahre auf einem Segelboot mit meinen Eltern gelebt. Aber wichtig ist: Ich bin sehr sozial. In der Grundschule helfe ich Kindern mit Einschränkungen, ich arbeite bei Kinderfesten mit und mache begeistert Teamsport (Handball). Mit meinen MitschülerInnen werde ich mich gut verstehen, denke ich. Ich möchte auf der Reise Freundschaften mit Jugendlichen aus aller Welt schließen. Und unser Leben hier bis in die kleinsten Ecken der Welt bringen sowie neue Eindrücke mit nach Hause mitnehmen. Das ist ein bisschen wie eine Brücke zwischen Kulturen zu bauen.

 

Ich bin so gespannt auf Lebenserfahrungen, die ich hier zuhause so wahrscheinlich nicht machen würde. Und nicht zuletzt: Ich will Spaß haben und diese coole Reise in vollen Zügen genießen.“

 

Mit ihren Eltern handelte sie einen Deal aus: Die Hälfte der College-Gebühren bekommt sie als Vorschuss, den sie nach ihren Möglichkeiten zurückzahlen muss. Die andere „investieren“ die Eltern in ihre Tochter. Andere schicken ihre studierenden Kinder ins Ausland oder bezahlen ihnen jahrelang die Miete. Das fällt bei uns dann eben flach, so die Mutter.

 

Potentialentfaltung – gelebte Vision

Natürlich – sie und ihre künftigen KlassenkameradInnen sind äußerst privilegiert diese Erfahrungen machen zu dürfen. Mir geht es um dies: Johan Hegler, den ich als Visionär bezeichnen würde, zog aus seiner Kritik an seinem beruflichen Begrenzungen Konsequenzen.

 

Er gründete ein tragfähiges Business, das seinen Werten und Überzeugungen entspricht.

Und ihm bestimmt richtig viel Freude und Erfüllung bereitet. Das ist Potentialentfaltung!

Und die ermöglicht er seit sieben Jahren auch Heranwachsenden. Chapeau!

 

Du kannst Silja helfen, ihren Vorschuss ein wenig schneller zurück zu zahlen. Wie, das erzählt sie in diesem Video

 

Anfang Oktober geht sie mit 33 Jugendlichen in Amsterdam an Bord. Vor ihnen liegen dann 12.000 Seemeilen Potentialentfaltung.

 

Ganz ehrlich: Ich wäre gerade gerne nochmal 16. Du nicht auch?

 

 

P.S.: Ahoi, liebe Silja. Ich werde euren Reiseblog abonnieren. Komm‘ heil wieder nächstes Frühjahr. Marietta und ich backen Schoki-Kuchen und hören dann all deine Geschichten.