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Echtsein: es geht um's Vertrauen

Nicht tun und lassen können, was man selbst will. Nicht so sein können, wie man möchte, wie es gut tut. Das kennst du bestimmt (und wenn nicht, dann Congrats, du seltenes Exemplar). „Sich verbiegen“ meint eben nicht elastisch zu sein in einer Zeit voller Wandel, sondern etwas Belastendes, Negatives. Das Gegenteil von authentisch sein. Ich höre dich fast stöhnen, schon wieder dieses Buzz-Wort. Doch echt zu sein ist eine enorm große Sehnsucht von vielen. Gerade jetzt und hier. In Pandemie-Zeiten, in einer Social-Media-Welt. Grund genug für mich, dazu beim Tippen zu denken.

 

Säbelzahntiger – sein oder nicht sein.

Zumindest im professionellen Leben stehen wir ständig auf der Bühne. Immer dann, wenn wir uns exponieren, liegt eine Inszenierung nah. Ob angestellt oder selbständig. Schließlich wollen wir möglichst positives Feedback erfahren. Und brauchen es ja auch. Um im Job voran zu kommen oder als Unternehmer:in zu überleben.

 

Sehr viele können noch nicht anders, als zu urteilen, zu bewerten und oft auch zu verurteilen. Noch immer liegt es uns in der Natur, den Finger auf Fehler und Defizite zu zeigen, statt dem Positiven mehr Anerkennung sowie Aufmerksamkeit zu widmen. Das ist stark in unserer DNA verhaftet. Kein Wunder: Ein veraltetes Bildungssystem mit dessen Fortsetzung im Universitären und im Arbeitsleben setzt auf Können und Wettbewerb und Einzelkämpfertum. Erziehung in gewisser Weise auch. Und kaum auf Sein: genug, ok, geliebt, geschätzt. Ohne Erwartungen bzw Bedingungen.

 

Doch zum Glück – es gibt einen mächtigen Wandel. Stichworte Neue Arbeitswelt, Be- statt Erziehung usw. – du kennst das. Und dann die Digitalisierung, die uns so viel Nutzen wie Herausforderungen beschert. Ich sehe Chance und Notwendigkeit gleichermaßen. Vor allem die Notwendigkeit, dass der Mensch sich im Kern auch wandeln muss. Weg vom Säbelzahntiger, der evolutionsbedingt in uns steckt.

 

Hin zu einem Individuum, das zu vertrauen lernt.

Denn darin liegt meiner Ansicht nach der Schlüssel dafür, überhaupt echt sein zu können.

 

Was und wie viel bedeutet es, authentisch zu sein?

Am besten gefällt mir die Idee, glaubwürdig zu sein. Und sich selbst zu glauben. Dann gibt es weniger inneren Abgleich: stimmt das jetzt was der/die sagt? Ist es so gemeint? Und auf der anderen Seite: Hoffentlich komme ich richtig rüber! OMG, ich darf das so nicht sagen! Was ist, wenn er/sie das blöd findet? Das energiefressende, innere Geplapper kommt dann zur Ruhe.

 

Solange wir als soziale Wesen Angst vor dem Säbelzahntiger (als Sinnbild für Existenz, Zugehörigkeit, Anerkennung) haben müssen, werden wir ständig mit diesem Abgleich beschäftigt bleiben. Können wir nicht wahrhaftig sein. Das ist nicht zu verwechseln damit, keine Erwartungen mehr haben zu sollen. An respektable Leistungen, überzeugende Argumentation oder soziale Verträglichkeit etwa. Authentizität sollte mE auch nicht gleich gesetzt werden mit vollumfänglicher Information über alles, was wir tun, empfinden und lassen (insbesondere, da wir uns mit unseren Social Media Profilen alle unsere eigene, kleine Bühne schaffen können).

 

Es bedeutet konsequenter Weise, dass die Zuschauer:nnen – um bei dem Bild von oben zu bleiben -  uns erstmal nur glauben schenken wollen  und können, wenn wir auf der Bühne stehen. Es bedeutet nicht, dass sie frenetisch applaudieren müssen. Sie können den Preis zu hoch, das Produkt nicht hilfreich, die Rede wenig inspirierend, den Artikel wenig belastbar, die Ziele nicht überzeugend finden. Sie können auch den Humor nicht teilen, die Gefühle nicht erwidern oder die Sorgen nicht nachvollziehen.

 

Jedoch – und das ist entscheidend: Es entstehen keine innere Herabwürdigung, Geringschätzung, Verurteilung und kein Kontaktabbruch. Keine gefährlichen Allianzen oder Koalitionen. Zwischen Dienstleister und potentiellem Kunden. Zuschauern und Darbietern. Content Creator und User. Mitarbeitenden und Führungskraft, Liebenden, Eltern und Kindern.

 

D’accord? Warum ist das so schwierig?  

 

Wir müssen uns entstören

Ich habe irre viel gelesen zu diesen Themen. Was mich mit Abstand am meisten überzeugt und beeindruckt, ist das Buch „Der entstörte Mensch: Wie wir uns und die Welt verändern“ von Dr. Petra Bock. Mit lebensfreundlicher Vernunft, wie sie es nennt. Und zwar aus der Notwendigkeit heraus, dass wir als Menschen nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind. Wie leben in einer zunehmend digitalisierten Welt, ja, treiben sie voran, doch verhalten uns wie die Säbelzahntiger.

 

Das macht keinen Sinn. Das ist unserer unwürdig, meine ich. Wir sind so weit gekommen. Im Außen. Nun ist die Innenwelt gleichermaßen dran!

 

Wie also können wir vertrauen, uns weniger verbiegen?

Ich habe darauf als Coachette :-) keine allgemeingültige Antwort, das wäre geradezu unheilig! Denn erstens hat die Antwort immer mit der persönlichen Erfahrungswelt zu tun und zweitens mit der, in der wir gerade leben. Es gibt gefühlte Hunderttausende Blogartikel, Podcasts und dergleichen, die im Stakkato-Imperativ dazu ihre Weisheiten und Appelle anbieten (kannst du also googlen oder, was ich besser finde: ecosi’n). Sie legen gut gemeint den Finger in die Wunde unserer Unzulänglichkeiten. Und ja, das sind wir gewissermaßen. Das ist nur logisch, da Entwicklung und Wachstum seinen Fokus auf äußeren Belangen hat. Wir mussten es als Menschen lange so handhaben (denke an die Säbelzahntiger). Seit geraumer Zeit wissen es viele besser und verharren doch in ihrem Fell:

 

Entwicklung und Wachstum geschehen nur von Innen nach Außen.

Dort wo Echtheit und Authentizität naturgemäß angesiedelt sind.

 

Warum es uns so schwer fällt liegt auch auf der Hand: es sind Ängste oder Sorgen. Davor, andere zu verletzen oder zu enttäuschen. Abgelehnt zu werden oder sich lächerlich zu machen. Unangenehm aufzufallen oder negative Kritik einzuheimsen. Nicht dazu gehören zu können oder ausgegrenzt zu werden. Beruflich ebenso wie privat.

 

Nach allem, was ich weiß und selbst erfahren habe, gibt es viele Schlüssel, um sich weniger zu verbiegen. Den größten Hebel hat die Selbstwirksamkeit. Und die führt zu Vertrauen.

 

Was wir konkret tun können? Nun, wir können damit beginnen, uns wann immer notwendig diese Fragen zu beantworten. Und unserem Gegenüber diese Fragen zu stellen. Denn Vertrauen zu entwickeln bedeutet auch, Anderen zu vertrauen. (Bild)

 

Ich wünsche dir Spaß auf deiner Bühne. Und bin wirklich sehr gespannt auf deine Gedanken und Erfahrungen, die mein Gedankengeplapper hier ergänzen, bereichern, hinterfragen. Bitte teile sie mit mir. Ich möchte noch weit mehr dazu lernen. Und ich weiß: Du bist kein Säbelzahntiger. Danke!

 

Enjoy and grow, Cornelia

 

 

Bildquelle: Foto von Brett Jordan auf Unsplash