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DIE SAHARA-METHODE*

Vor kurzem war ich in der Sahara. Nur einen Tag und eine kurze Nacht. Denn jede Stunde Schlaf, der unfassbar tief und rein war, hätte das Momentum gekürzt. Den Morgen konnte ich kaum erwarten. Wie wird es sein, die Sonne hinter dieser Unendlichkeit erwachen zu sehen? Wie fühlen sich Zeit und Raum und Weite an? Was atmet mein Kopf aus, nachdem er diese unfassbare Stille eingesogen hat?

Atemberaubend schön, oder? Fotocredits Michael Lütge, mein Gefährte.
Atemberaubend schön, oder? Fotocredits Michael Lütge, mein Gefährte.

Wer mich kennt weiß, dass ich ebenso analytisch wie kopfgesteuert als auch tief und fragend das nicht Greifbare doch Wesentliche zu ergründen suche. Ich finde mehr davon, je mehr ich mich von Vorstellungen und Erwartungen löse. Die Wüste zeigte mir ihr sehr direktes: wir sind alles und nichts. Das klingt befremdlich. Doch es beruhigt mich in meinem manchmal atemlosen Treiben. Und bestärkt mich, wenn ich zweifle, meinem inneren Kompass zu vertrauen. Klarheit ist eine Quelle für Selbsterfüllung. Du kennst das sicher.

 

Warum ich dir das erzähle?

 

Ich denke an das Weiter und Leisten, das so fest in unserer DNA verankert ist. Doch die Richtung ist recht unkreativ. Nach vorne und oben. Und schneller bitte. Wir haben so viel. Und sehen es kaum. Wir häufen an, ohne zu benötigen. Ist uns die Demut abhanden gekommen? Für die Fülle und den Reichtum, die uns zu Füßen liegen.

 

Und ich denke an das Miteinander im Job. Wir hören zu. Hören wir genug hin? Wir schauen zu. Sehen wir wirklich hin? Und wir nörgeln. Lasst uns mehr fragen und handeln. Wir reden viel und sagen oft wenig. Wir sehen die Dinge so kritisch. Statt den Fokus auf das Positive zu lenken. Brauchen wir wirklich all die Optimierungsappelle? Wir haben einen gesunden Menschenverstand und Herz! Wir haben so viel. Lasst uns mehr geben. Und:

 

Wir reden viel vom Können, viel zu wenig vom Sein.

 

Darin, so glaube ich, liegt der Ursprung für die Leere, die unser Streben nach höher und schneller und weiter für Viele produziert. Leere ist besonders für Erfolgreiche ein streng gehütetes Geheimnis, die ihren Wert im Performen sehen. Sie sehen in der Wüste reine Ödnis.

 

Ich möchte noch kurz von Khalil erzählen, dem 26jährigen Nomaden, mit seinem wilden Haar, den schlechten Zähnen und dem herzlichsten Lächeln, das die Wüste wohl zu bieten hatte. Abends trommelte und sang er mit ein paar Jungs. Wir tanzten um's Feuer (ja, das klingt kitschig, war es auch ein bisschen). Und dann redeten wir etwas. Ich war neugierig auf sein Leben; er hatte eine fast magische Ausstrahlung. Khalil ist in der Wüste aufgewachsen. Er hat probiert in Marrakech zu leben. Das sei nichts für ihn. Was er brauche, fände er hier. Er sieht die Sonne jeden Tag auf- und wieder untergehen. Er kann seine Musik machen und singen, zusammen mit seinen Jungs. Er habe Gäste, von denen er lerne. Es sei die Freiheit, die er für nichts eintauschen wolle. Ich habe selten einen Menschen getroffen, der so zufrieden und klar auf mich wirkte.

 

Nein, ich sehne mich nicht nach einem Leben in Einfachheit am Rande der Sahara oder plane, ein Riad in Essaouira zu eröffnen. Es geht mir meistens echt gut, wo ich bin. Doch die vielen inspirierenden Erlebnisse und Gespräche der gesamten Reise nehme ich mit. Ich erzählte schon oft davon. Manche seufzten dann: einfach mehr sein zu können, ja, das wäre toll. 

 

Die Stunden in der Sahara waren still und reich für mich. Eine weitere Etappe auf meiner Reise nach Innen, die ich immer wieder antrete. Diese war wesentlich. Beruflich und privat. Echte Begegnung mit sich selbst braucht Raum und Zeit. Ob Wüste oder Wald, Berge oder Meer - wir finden beides überall.

 

Du hast bis hier gelesen. Wow. Ich bin neugierig auf eine deiner Etappen...

 

Herzlich grüßt dich,

Cornelia

 

 

Fotos: privat/Michael Lütge

 

*Natürlich steckte keine Methode dahinter. Und just spinne ich Ideen...