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Geheimnis eines Hochleisters

Was treibt Power-Performer nicht selten an? Sie sind hoch qualifiziert und engagiert, erzielen beste Ergebnisse, sind klasse Teamplayer. Ohne viel Tamtam dabei. Ahnst du ein gut gehütetes Geheimnis? Ich möchte dich einweihen. Ist wichtig zu wissen.

 

Vergangenen Herbst lerne ich Carlos* kennen. Mitte 40 und nach seiner letzten Station „auf dem Markt“. Ging nicht so schön aus, dieser Einsatz. Und im Anschuss auch nicht so schön weiter mit dem roten Teppich und Türen öffnen, wie gewohnt. Überhaupt: irgendetwas stimmte nicht. Die Motivation im Keller, die Akkus leer. Er war bereits einige Monate in der Orientierungsphase, wie er es nannte. Es dauerte ihm zu lange, die (richtige) Richtung fehlte. So kreuzten sich unsere Wege.

Bei unserem ersten Telefonat und nach meiner zweiten Frage redete Carlos fast 45 Minuten ohne Punkt und Komma. Ich ließ ihn reden, sah das kommen nach unserem kurzen, schriftlichen Austausch vorher. Wir verabredeten uns für ein erstes Treffen und im Grunde ging es zunächst so weiter. Carlos redete. Er sprach sich Jahre von der Seele, hörte sich selbst dabei nicht wirklich zu.

Meine Hypothesen von Carlos Sicht auf Leistung und Erfolg, Arbeit und Leben galt es zu überprüfen. Und ihm zu ermöglichen, mir einen Auftrag zu erteilen, der ihn wirklich weiter bringt. Erst dann konnten wir mit der gemeinsamen Arbeit anfangen. Denn ihn quasi als Beschleunigerin auf seiner Überholspur zu begleiten, das musste ich ihm ausschlagen. Ist nicht mein Feld.

 

Ich lud ihn stattdessen ein, sein Geheimnis zu entdecken.

 

Carlos' Geheimnis

Menschen wie Carlos begegnen mir ja oft. Es liegt, glaube ich, daran, dass wir irgendwann unsere Leben und seine Verstrickungen ernster nehmen. Und am Bedürfnis Ballast abzuwerfen. Das hat zum einen mit einem gewissen Aufwachen ab der Lebensmitte zu tun. Und damit, dass wir aus der sogenannten Generation X von den Jüngeren herausgefordert werden, unsere Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen. Ich finde das ja sehr gut so. Doch zurück zu Carlos:

 

Im Grunde tat ich, nachdem der erste echt krasse Druck weichen durfte, zunächst nichts weiter, als ihn zu entschleunigen. Stell dir vor, du sitzt im Cockpit eines PS-starken Autos und drehst die Kiste regelmäßig in den roten Bereich hoch. Bei Mords-Tempo, hoch anspruchsvoller Strecke und enormen, physikalischen Kräften lenkst du ja besser all deine Konzentration weg von deinem Innen. Ist klar.

 

Um das jedoch auf Dauer leisten zu können, solltest du deine Entspannung ebenso perfektionieren können wie deine Anspannung. For your own sake and safety. Nicht zuletzt für anhaltenden Erfolg.

 

Entspannung ist für Hochleister eine Herausforderung. Ist so in unserer Leistungswelt.

Jedenfalls, als unsere Treffen im grünen Bereich stattfinden konnten, begann Carlo sich zuzuhören. Und er fand Antworten auf Fragen, die ihn erst sprachlos machten. Oft hieß es davor „Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht“ oder „Keine Ahnung, da habe ich so noch nie drüber nachgedacht!“ Den Vorschlag, sich mit mir in der Natur auf den Weg zu machen, fand er gut. Tapfer hielt er den 20minütigen Silent-Walk aus, neugierig ließ er sich auf eine Biografiearbeit am See ein, hantierte mit Stöcken und Steinen. Wir experimentierten mit Tempi und Provokationen. Und genossen zufrieden ein echt verdientes, zweites Frühstück mit Aussicht.

 

Im Anschluss erklärte ich ihm kurz ein Konzept, das unsere Persönlichkeitsstrukturen in drei Ich-Zuständen abbildet (ich lernte es 2007 kennen und es war für mein Leben und Arbeiten ein absoluter Gamechanger):

  1. das Eltern-Ich,
  2. das Erwachsenen-Ich und
  3. das Kind-Ich. 

Wir sammelten auf dem Weg ganz wesentliche Believes ein, also Bilder, die er von sich selbst und anderen hat, Überzeugungen, die er gewonnen hat. Und er kam drauf, in welche Richtung diese ihn treiben. „Leider zu oft in die falsche Richtung, wenn ich das so mit Abstand und in Ruhe und neu betrachte“, meinte er.

 

Ganz kurz nur: Carlos Überzeugung war es, dass seine Ergebnisse erst dann wertvoll sind, wenn seine Leistung herausragend ist. Er fand‘ sich stets in einem beruflichen Umfeld wieder, das einem Haifischbecken glich: extrem hohe Erwartungen, echte Probleme, ernste Konkurrenz und großer Druck. Dort herrschte quasi immer der rote Bereich auf seinem Tacho.

Schnell wurde ihm auch klar, dass diese Überzeugung „von früher“ kommt. Und dass er sein Bild von Männlichkeit, Erfolg und Leistung nie bewusst gezeichnet hatte.

 

Carlos wohl behütetes Geheimnis war diese Strategie: Als HighPerformer macht er seinen Job herausragend,

weil er es einfach kann. Sein großer Antrieb war persönlicher Natur:

die Sehnsucht nach Anerkennung sowie Wertschätzung.

Als Erwachsener erwachsen sein

Carlos Bedürfnis ist ja zutiefst menschlich. Und an seiner "Strategie" nichts falsch! Die Frage ist: wozu führt es? Sogenannten HighPerformern geht es nur einerseits darum, mit ihrem Können ihren Beitrag zu leisten, der immer herausragend ist. Sich selbst haben sie dabei kaum im Blick. Und damit auch die Höhe ihres Einsatzes, ihre echten Motive sowie Bedürfnisse, ihre Grenzen und wahren Potenziale. Das ist übrigens Teil der Selbstführungskompetenz!

 

Wie in Carlos Fall werden viele geleitet von einem inneren Antrieb, der aus den nicht förderlichen Botschaften des sogenannten Eltern-Ich bzw. dem Kind-Ich stammen. Das stelle dir vor wie eine Souffleuse, die dir Sätze wie diese zuraunt:

Das ist doch nichts Besonderes, was du da leistest.

  • Wenn du dieses Umsatzziel nicht erreichst, dann hast du den Bonus echt nicht verdient.
  • Stell dich nicht so an, das Leben ist kein Ponyhof.
  • Ich kann mich doch nicht auf meinen Lorbeeren ausruhen!
  • Denken die etwa, ich will mich profilieren?

Was bewirken solche Sätze? Sie halten uns kleiner, als wir sind. Wir tragen es an andere weiter. Wir finden Ausflüchte, sind ungnädig, verurteilen. Es fühlt sich blöd an. Wir blenden Empfindungen aus. Überschreiten innere Grenzen. Rufen unser Potenzial nicht ab.

 

Es ist wichtig zu wissen: Wir können der inneren Souffleuse, die im Eltern-Ich bzw. Kind-Ich nicht ermutigend mit uns spricht, jemanden an die Seite setzen: eine, die im Erwachsenen-Ich spricht, der/die wir ja schließlich sind! Dort geht es z. B. um Besonnenheit, um ein Denken in Möglichkeiten, um das Abbilden von Tatsachen. Die Stimme fragt: Was denkst du als selbstwirksamer, selbstbestimmter und erwachsener Mensch über die Sache? Wie kannst du dich und deine Bedürfnisse ernst nehmen? Und wie verhältst du dich, wenn du deine kindliche Befürchtung oder die strenge, geringschätzende Stimme ich dir nicht länger akzeptierst?

 

Wir treten dann heraus aus der Situation und kommen so auf klarere und konstruktive Gedanken, denen eine erwachsene Handlung folgt! Ein völlig neue Betrachtungsweise. 

Tschüß, believes!

Wenn wir in Situationen also erwachsen reagieren, lösen wir die Handbremse, reduzieren Stress, stellen uns Herausforderungen, kooperieren auf Augenhöhe, nehmen unsere Bedürfnisse ernst, sorgen für unsere Gesundheit. Und unser Leistungsvermögen. Wir leben nicht zuletzt unser Potenzial dort aus, wo wir noch gar nicht geschöpft haben. Und ganz sicher ist das unsere Aufgabe und unser gutes Recht heutzutage: die Entfaltung unseres Selbst.

 

Wir haben dieses erwachsene Ich immer bei uns. Es wird mit Bewusstheit und Training ein ebenso verlässliches Betriebssystem sein, das unser Denken, Handeln und Fühlen leitet, wie die destruktiven Eltern- bzw. Kind-Ich-Stimmen es vermochten.

 

In Carlos Situation entwickelte es sich so: Er leitete aus seinem Erwachsenen-Ich heraus seine wahren Werte ab. Er akzeptiert die limitierenden Gedanken nicht länger. Carlo skizzierte seinen idealen Tätigkeitsraum und wie er seine Rolle als CEO ausfüllen möchte. Er positioniert sich nun echt und unmissverständlich. Ich bin beeindruckt von seiner Klarheit. Und seiner Güte. Seinem unbeirrten Fokus.

 

Natürlich - die täglichen Anforderungen und Verstrickungen laden immer wieder zu Irrungen ein. Und ich weiß, wie schwierig es ist, für sich selbst wachsam zu bleiben, nicht ins eigene Fettnäpfchen zu treten. Wer hat schon in der operativen Hektik zB einen inneres Skript des Erwachsenen-Ichs abrufbar. Ich finde ja, dass es pragmatisch und machbar sein muss. Daher dieser Vorschlag, falls du selbst so eine innere Souffleuse hast, die dir "Bullshit" erzählt: Nimm dir "nur" vor, diese Stimmen wahrzunehmen, schau dann auf einen Spickzettel (speicher dieses Bild auf deinem Smartphone). Darauf steht:

 

 

Sein neues Spielfeld ließ nicht mehr lange auf sich warten. Dort kann er sich als Hochleister wieder austoben, denn es gibt, wie er neulich schrieb, echt viel Spannendes zu tun. Gleichwohl wolle er als Leader ein Vorbild sein und immer wieder dazu inspirieren, im grünen Bereich zu leisten: auf Augenhöhe, empathisch, zielorientiert und bewusst fürs Innen wie Außen.

 

Vielleicht hast du einen (f/m/d) Mitarbeiter oder Kollegen, der ähnlich wie Carlos tickt. Und du machst dir manchmal Gedanken, ob er sich wohl fühlt, sein Einsatz ein gesundes Maß hat. Was er brauchen könnte, um motiviert zu bleiben? Begegne ihm als Mensch, bringe deine Anerkennung und Wertschätzung zum Ausdruck für ihn als Person. Nur weil er sich idR aufs Fachliche beschränkt, heißt es nämlich nicht, dass Persönliches keinen Wert hat. Ganz im Gegenteil!

 

Und wenn dich die Sache mit den Believes näher interessiert, dann melde dich. Gerne erzähle ich dir mehr darüber.

Alles Gute für dich,

Cornelia

 

 

 

*Carlos heißt natürlich anders. Aber das Geheimnis hüte ich wie meinen Augapfel:-)!

 

 

Bildquellen: Mats Speicher, Rustam Ziabirov, Ryoji Iwata on Unsplash